Clara Deitmar und Luzie Kehle sind Alumni der Filmakademie Baden-Württemberg. Sie studierten interaktive Medien am Animationsinstitut der Filmakademie und entwickelten während des Studiums ihr erstes Spiel "The Bear – A Story from the World of Gra". Nach ihrem Studium nahmen sie 2023 als Nachwuchs- und Gründungsteam am Developer Boost Programm der MFG Baden-Württemberg teil und gründeten zusammen mit Julius Dorsel ihr Game Studio Mucks! Games. Dieses Jahr im April erhielten sie den Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie „Bestes Grafikdesign“ für das Spiel "The Bear – A Story from the World of Gra"
Seither fokussieren sich mit ihrem Game Studio in der Spieleentwicklung auf Kreationen von Autor*innen mit einer klaren Vision, die persönliche und poetische Geschichten erzählen. Im Interview berichten die Beiden von ihren Erfahrungen und erzählen, welche Wünsche sie an die zukünftige Games-Branche haben.
Die Interviewreihe "Frauen in der Games-Branche in Baden-Württemberg" hat zum Ziel, das Engagement und die Darstellung von Frauen in diesem Markt und in Computer- und Videospielen genauer zu untersuchen.
Wie seid ihr in der Games-Branche gelandet?
Luzie
Die Faszination für Computerspiele entstand dadurch, dass sie interaktiv waren und man selbst die Geschichte steuern konnte. Von klein auf hatte ich Zugang zu Videospielen, weil meine Mutter ein Tomb Raider-Spiel geschenkt bekam, mit dem sie aber nichts anfangen konnte. Rückblickend war Lara Croft ein sehr sexistischer Charakter, aber das war mir damals nicht bewusst. In Spielen gab es kaum weibliche Charaktere und wenn, waren sie oft schlecht porträtiert. Erst an der Hochschule merkte ich, dass es auch andere Personen gibt, die ähnlich denken, und dass man zusammen kreativ arbeiten und die Spiele entwickeln kann, die man selbst gerne gespielt hätte.
Clara
Bei mir kam das Interesse eher von der Begeisterung fürs Games-Machen. Schon immer war ich an Logik und Mathematik interessiert, aber auch an kreativen Tätigkeiten. Ich entschied mich für einen Studiengang in Medien und Informationstechnik, wo ich Programmieren lernte. Das fühlte sich für mich an wie Magie – aus dem Nichts etwas zu erschaffen. Die Kombination von Kreativität und Technik fand ich besonders schön an Games. Man kann illustrieren, Geschichten erzählen, programmieren und Welten kreieren – alles vereint in einem Medium.
Wie kam es zur Spielidee von "Frieda is Changing" und warum habt ihr euch für einen weiblichen Hauptcharakter entschieden?
"Frieda is Changing" ist ein 2D Point & Click Adventure, in dem ein 14-jähriges Mädchen spielt, dessen Schwester zwei Jahre zuvor verschwunden ist. Die Spieler*innen machen sich auf den Weg durch ein kleines Dorf, um den Fall aufzulösen. Schafft Frieda es nicht vor dem nächsten Vollmond, wird sie von ihrer inneren Wut in einen Werwolf verwandelt. Der Prototyp erhielt 2023 eine Games BW-Förderung.
Luzie
"Frieda is Changing" entstand aus meiner Diplomarbeit. Die Idee kam, weil ich zu dieser Zeit sehr wütend über patriarchale Strukturen und die Benachteiligung von Frauen war. Ich wollte zeigen, wie ein innerer Prozess aussieht, der sich im Spiel nach außen manifestiert. Die Ungerechtigkeit triggert die Hauptfigur so stark, dass sie sich in einen Werwolf verwandelt, wenn diese nicht gelöst wird.
Welche Erfahrungen habt ihr in der Games-Branche als diverses Team gemacht?
Clara
Persönlich entwickelten wir uns am meisten im Studium. Dort entstand auch unser erstes Spiel. Es war toll zu sehen, dass es viele weibliche Mentorinnen und Studentinnen gab. Nach dem Studium war uns klar, dass diese unterstützende Bubble nicht bestehen bleibt, aber wir tragen sie weiter in unser eigenes Studio. Wir haben positive Rückmeldungen für unser Spiel erhalten, aber auch Momente erlebt, in denen wir anders behandelt wurden, weil wir Frauen sind.
Luzie
Schon im Grundstudium bekam ich Kommentare, dass es verwunderlich sei, dass ich als Frau den Studienplatz für interaktive Medien erhalten habe. Das führte zu Selbstzweifeln. Doch ich merkte schnell, dass auch gestalterische und kreative Fähigkeiten neben der Technik wichtig sind. Eine tolle Dozentin hat uns dabei sehr gefördert.
Clara
Selbst mit klassischen Programmierkenntnissen wird einem als Frau oft misstraut. In einem Projekt hieß es, wir bräuchten jemanden für die Programmierung. Als ich mich meldete, wurde hinterfragt, ob ich das wirklich könne.
Was bringen Frauen denn eurer Meinung nach in die Games-Branche ein?
Luzie
Frauen bringen definitiv eine zweite Perspektive ein. Man merkt oft, wenn Spiele nur von Männern gemacht werden, dass die Hauptcharaktere stereotypisch sind.
Clara
Generell haben Medien, ob Filme oder Bücher, lange unter patriarchalen Strukturen gelitten. Es ist wichtig, diesen männlichen Standardblick zu durchbrechen. Frauen bringen neue und tiefere Geschichten und Blickwinkel ein, von denen alle lernen können. Diverse Teams sind oft produktiver und kreativer, und es ist wichtig, das männerdominierte Bild zu ändern.
Was hilft Frauen dabei, in der Games-Branche Fuß zu fassen?
Luzie
Vorbilder sind entscheidend. Es muss sichtbar sein, dass Frauen in relevanten Positionen erfolgreich sind. Mehr Dozentinnen und Professorinnen sind nötig. Frauen, die schon lange in der Branche sind, sollten auf Bühnen präsent sein, um ihre Geschichten zu teilen. Das setzt ein Statement und verändert das Gesamtgefüge in der Branche nach und nach.
Clara
Es gibt Netzwerke wie "Women in Games“ auf Discord, die super sind. Dort werden auch Jobs gepostet und der Einstieg in die Community wird erleichtert.
Und noch eine letzte Frage zum Schluss: Welches ist aktuell euer Lieblingsgame und warum?
Luzie
Zuletzt hat mich "Alan Wake 2“ beeindruckt, das im letzten Winter herauskam. Es ist eine Mischung aus Horror und Sci-Fi mit einem großartig geschriebenen weiblichen Hauptcharakter, einer Kommissarin.
Clara
Mein Lieblingsspiel ist "Baba is You“. Es ist ein Logik-Puzzlespiel, das genial konzipiert ist. Auf einer Metaebene nimmt es Logikpuzzle auseinander und ist eigentlich ein Programmierspiel – simpel, aber unglaublich effektiv.